Nachdem 1888 die neue Weganlage durch den Sperrbachtobel fertiggestellt war, konnte die erste kleine Hütte der Sektion Allgäu-Kempten erbaut werden, und der Traum von einer Bergsteigerunterkunft auf dem Mädelejoch wurde wahr. An der Kreuzung des dortigen Höhenwegs und des Übergangs vom Oberstdorfer Trettachtal hinüber ins Lechtal stellte sie den noch fehlenden Stützpunkt dar. Das Grundstück bekam die Sektion Allgäu-Kempten seinerzeit unentgeltlich von der Gemeinde Holzgau überlassen.
Und der damalige „Deutsche und Österreichische Alpenverein“ steuerte 4.000 Mark bei. Inklusive Wasserleitung investierte die Sektion gut 7.200 Mark in die noch recht bescheidene Kemptner Hütte, in der rund 25 bis 30 Leute einen Schlafplatz fanden. Dafür standen Matratzen und Heulager bereit. Die Bergfreunde zeigten sich dankbar und hoch erfreut über die neue Hütte, und viele kamen, um die Eröffnung zu feiern.
Also wurde wieder gebaut, 1904 die neue Kemptner Hütte im Beisein von sehr viel Prominenz eingeweiht, und auch die Presse berichtete ausgiebig darüber. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das Bergsteigen dann einen so großen Aufschwung, dass nicht selten bis zu 200 müde Bergwanderer auf einen der 47 Schlafplätze hofften! Nochmals wurde an und neu gebaut, bis wegen Baufälligkeit ein nahezu kompletter Abriss unvermeidlich war. 1931, zum 60. Geburtstag der Kemptner Hütte, wurde der dritte Hüttenneubau eröffnet. Weitere Entlastung brachte 1954 ein zusätzliches Nebengebäude. Dabei wurde die Bergunterkunft immer noch mit Tragtieren versorgt!
Gut zehn Jahre später stand die nächste große Sanierung an, und Anfang der 1970er-Jahre war die nun sehr stattliche Kemptner Hütte fertiggestellt, damals nach der Rappenseehütte die zweitgrößte DAV-Hütte überhaupt! Voraussetzung dafür war 1969 die Errichtung der Materialseilbahn, auf die man lange gewartet hatte. Die Bahn bedeutete eine große Erleichterung für die damalige Hüttenwirtsfamilie Wagner, die der Hütte gut 30 Jahre die Treue hielt und in dieser Zeit mehrmals modernisierte oder umbaute. Seit 2001 führt Gabi Braxmair zusammen mit Ehemann Martin die Kemptner Hütte.
Gabi hat sie von ihren Eltern, Elvi und Ernst Wagner, übernommen. Und auch die Braxmairs haben immer wieder alle Hände voll zu tun, denn schon lange geht es darum, die Hütten im Sinne des Umweltschutzes nachzurüsten. Aber genauso macht sich der Klimawandel überdeutlich bemerkbar. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Wasserversorgung dieser großen Hütte nicht einfacher wird. Und auch eine neuerliche Sanierung war inzwischen dringend nötig geworden. So rückten schon im letzten Sommer die Baumaschinen an, und wenn alles wie geplant läuft, ist man im Herbst 2021 fertig. Der Betrieb geht aber weiter – wenn auch etwas eingeschränkt –, und Gäste sind wie immer herzlich willkommen.
Der Weg hinauf zur Kemptner Hütte ist übrigens schon wegen des Sperrbachtobels ein Erlebnis und sei allen empfohlen, die über genügend Kondition verfügen. In etwa dreieinhalb Stunden lässt sich das 1846 Meter hoch gelegene Schutzhaus von Oberstdorf aus erreichen,
und nur rund zweieinhalb Stunden benötigt man von
Spielmannsau!