Das Dreigestirn von Mädelegabel, Hochfrott- und Trettachspitze– harmonisch ruhen ihre Gipfel über den zerklüfteten Flanken des Bacherlochs und ziehen die bewundernden Blicke aller Touristen und Bergfreunde auf sich! Als vierthöchster Berg der Allgäuer Alpen
ist die Mädelegabel (2.645 Meter) zudem eine der prächtigsten Aussichtswarten. Wuchtig thront sie mit bis zu vierhundert Meter hohen Wänden hinter der eleganten Felszacke der Trettachspitze.
Die erste Besteigung der Mädelegabel ist nicht zweifelsfrei geklärt. Wahrscheinlich kann man davon ausgehen, dass der Gipfel in den Jahren 1818 bzw. 1819 bei Vermessungsarbeiten erstmals betreten
wurde.
Sicher hingegen ist, dass zwei Wagemutige, Dr. Fürst und Otto Heiß, 1882 die erste Winterbesteigung des von Einödsbach aus gesehen so schroff wirkenden Berges gelang. Viel weiß man heute nicht mehr über die Bergsteiger und ihre weiteren Unternehmungen.
Für ihre winterliche Pioniertat an der Mädelegabel
jedenfalls wählten sie den einfachsten der damals bekannten Anstiege. Trotzdem galt diese Tour als eine ernste Unternehmung, war doch schon die Ausrüstung mehr als unzureichend. Zum Beispiel verfügten Fürst und Heiß noch nicht über Steigeisen und Pickel als technische Hilfsmittel, wie sie später üblich wurden, und ohne Ski mussten sie sich den Weg zum Berg durch den Schnee erst mühevoll bahnen. Vermutlich aber werden die Männer, die beide der 1871 gegründeten Alpenvereinssektion Allgäu-Kempten
angehörten, recht erfahrene Bergsteiger gewesen sein. Denn die Durchführung einer seinerzeit so ungewöhnlichen Tour erforderte eine gehörige Portion Mut und Zutrauen. Dazu konnte ihnen keine
Hütte als Quartier oder Notunterkunft dienen, wurde doch die Kemptner Hütte erst 1891 fertig, und auch das 1875 erbaute Waltenbergerhaus war im Winter geschlossen.
Das Winterbergsteigen befand sich sozusagen noch in den Kinderschuhen, nicht nur was die Ausrüstung betraf, denn auch die Kleidung war eigentlich wenig geeignet, sich bei Eis und Schnee in der unwirtlichen Bergnatur aufzuhalten.
Man trug Hosen und Jacken aus einem strapazierfähigen Stoff, im Grunde wie im Sommer auch, sicherlich darunter zusätzlich dicke Unterwäsche und dazu lange Strümpfe, in die man die Hosenbeine stecken konnte, damit der Schnee nicht hineinkam. Diesem Zweck dienten unter anderem auch lange Stoffstreifen, die man um die Unterschenkel wickelte als eine Art improvisierter Gamaschen. Bei der Oberbekleidung galt dasselbe einfache Prinzip: ein Hemd zusätzlich darunter angezogen und ein Pullover mehr darüber als in der übrigen Zeit des Jahres.
War der Schnee nass, dauerte es nicht lange, und Baumwolle oder Wolle wurden feucht, zunehmend schwerer und wärmten immer weniger. Damals konnte sich wohl keiner dieser Vorkämpfer des
Winter- Alpinismus vorstellen, mit welchen hervorragenden Materialien die Hochtouristen heute bei Schnee, Eis und Kälte unterwegs sind! Als Lohn für ihre Mühen erwartete Fürst und Heiß vom Gipfel der Mädelegabel ein fantastischer Rundblick: Biberkopf, Hohes Licht, Großer Widderstein, die Schafalpenköpfe mit dem berühmten Mindelheimer Klettersteig, der Hochvogel und der Große Krottenkopf – all diese Höhepunkte der Allgäuer Berge präsentierten sich in näherer Umgebung.
Bilder: Winteralpinismus, Steigeisen Allgäuer um 1925. Allgäuer Dreigestirn - Archiv Heckmair-Auffermann
Tettach & Mädelegabel im Winter - Dominik Müller
Mädelegabel im Abendrot - Jürgen Schafroth